Wort des Monats: Papiersack

Alte Verpackungsbegriffe im Schweizerdeutschen
Wenn wir heute in einem Laden einkaufen, erscheint uns eine Tüte oder ein Sack als etwas Selbstverständliches. Vorverpackte Waren sind allgegenwärtig, und standardisierte Verpackungslösungen erleichtern Handel und Konsum. Noch vor wenigen Jahrzehnten stellte sich die Lage ganz anders dar: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren viele Waren unverpackt erhältlich und mussten im Geschäft individuell eingewogen und eingepackt werden. Dies erforderte nicht nur Geschick, sondern brachte auch eine erstaunliche Vielfalt an Bezeichnungen für die jeweiligen Verpackungen hervor. Besonders im Schweizerdeutschen haben sich zahlreiche Begriffe dafür entwickelt, die verschiedenste sprachliche Wurzeln aufweisen.
Kleine Mengen wie Gewürze oder Medikamente wurden in einfache Papierblätter gelegt und durch geschicktes Falten verschlossen. Daraus entstand der Begriff Brief, der in Zusammensetzungen wie Briefsack oder Briefli überlebt hat. Andere Ausdrücke wie Uu(r)ssi, Untscha oder Lood erinnern an historische Masseinheiten wie Unze und Lot. Die Machart der Verpackung führte ebenfalls zu bildhaften Bezeichnungen: Wenn Waren eingerollt wurden und eine hornartige Form erhielten, sprach man von Hora oder Scarnutz. Auch aus Fremdsprachen fanden Begriffe ihren Weg ins Schweizerdeutsche. So geht Go(o)rne auf das französische Cornet zurück, während Chucher(e) aus dem hochdeutschen Köcher abgeleitet wurde. Sogar musikalische Instrumente wirkten inspirierend: Ausdrücke wie Gu(u)gge, Hüüpe, Dutte oder Tü(ü)te gingen ursprünglich auf Blasinstrumente zurück und wurden später für Papiersäcke verwendet.
Mit dem Aufkommen fabrikmässig hergestellter Säcke änderte sich der Sprachgebrauch. Der einfache Sack setzte sich durch und wurde zur meistverwendeten Bezeichnung für Verpackungen aus Papier. Dennoch zeigen alte Zusammensetzungen wie Loodsack oder Papiirpack, dass man die handwerklich gefertigten Verpackungen nicht so rasch vergessen hat. Diese Vielfalt an Begriffen ist ein sprachliches Zeugnis der Alltagskultur, die eng mit der Geschichte des Handels, der regionalen Eigenheiten und der Mehrsprachigkeit der Schweiz verbunden ist.
Sprachliche Vielfalt als Kulturerbe
Die Vielzahl der überlieferten Wörter für Papiersäcke ist mehr als nur ein kurzes Kapitel der Alltagsgeschichte. Sie zeigt, wie eng Sprache und Lebenswirklichkeit miteinander verbunden sind. Jede Bezeichnung erzählt von regionalen Gewohnheiten, von handwerklichen Techniken und von den Einflüssen der Nachbarsprachen. Heute sind die meisten dieser Ausdrücke in Vergessenheit geraten, doch in Dialektkarten, Sammlungen oder in Erinnerungen älterer Generationen lebt dieses sprachliche Erbe weiter. Wer das nächste Mal einen simplen Papiersack in den Händen hält, darf sich daran erinnern, dass sich hinter diesem schlichten Alltagsgegenstand eine reiche Geschichte der Sprache verbirgt.